Anlässlich des Jahrestages der Schlecker-Insolvenz erklären Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte und Beate Walter-Rosenheimer, Obfrau um Wirtschaftsausschuss:
Die Bundesregierung zeigt keinerlei Empathie für die Betroffenen der Schlecker-Insolvenz. Ein Jahr nach Eröffnung der Schlecker-Insolvenz hat die Mehrheit der ehemals bei Schlecker beschäftigten Frauen noch immer keine adäquate neue Beschäftigung gefunden. An manchen Orten haben ehemalige Schlecker Beschäftigte die Drogeriemärkte in Eigenregie übernommen. Zu einem flächendeckenden Modell hat sich dies bis heute aber nicht entwickelt. Das durch die FDP verursachte Scheitern einer Schlecker-Transfergesellschaft hat sozialverträgliche Wege des Überganges verhindert. Das ist Grund genug, um über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitnehmerrechte in der Insolvenz nachzudenken. Die Bundesregierung hingegen verfährt wieder nach dem Motto: Augen zu und durch.
Das Insolvenzrecht orientiert sich zu stark an wirtschaftlichen Interessen. Der Erhalt von Arbeitsplätzen muss mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Der Insolvenzverwalter muss auch zur Interessensvertretung der von Kündigung bedrohten Belegschaften werden. Das heutige Insolvenzrecht bietet zu wenig Zeit, um Fortführungsperspektiven verantwortlich zu prüfen und dazu notwendige Schritte in die Wege leiten zu können. Deshalb sollte das Insolvenzgeld auf Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit um mindestens drei Monate verlängert werden können, wenn eine Chance auf Fortführung des Unternehmens und den Erhalt von Arbeitsplätzen besteht.
Auch die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten und Gewerkschaften in der Insolvenz sind deutlich zu erweitern. Die Aushebelung sozialer Schutzrechte durch das bestehende Insolvenzrecht, beispielsweise bei der Verkürzung bestehender Kündigungsfristen oder die Einschränkungen der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei einem Interessenausgleich und einem Sozialplan, sind zu ändern. Dem Betriebsrat sind vielmehr erweiterte Mitbestimmungsrechte bei allen Entscheidungen des Insolvenzverwalters einzuräumen – insbesondere bei Entscheidungen, die die Einrichtung einer Transfergesellschaft und die Fortführung des Unternehmens betreffen.
Notwendig ist auch die Weiterentwicklung der rechtlichen Voraussetzungen für Transfergesellschaften im Falle einer Insolvenz. Das kollektive Schicksal einer von Insolvenz betroffenen Belegschaft verlangt auch eine kollektive soziale Antwort. Deshalb ist eine gesetzliche Regelung zu prüfen, wie in der Insolvenz die Kosten für eine Transfergesellschaft sichergestellt und beispielsweise durch eine erweiterte Insolvenzumlage finanziert werden könnten.
In Deutschland fehlt vor allem eine Förderung der Beschäftigten, die ihren Betrieb eigenverantwortlich übernehmen wollen. Wie es gehen kann, zeigt uns die italienische Marcora-Gesetzgebung. Die Belegschaften können im Insolvenzfall das Unternehmen übernehmen. Sie erhalten Investitionshilfen und eine betriebswirtschaftliche Begleitung. Auch Deutschland braucht solche selbstbestimmten Möglichkeiten zur Unternehmensrettung – zum Vorteil der Beschäftigten und zum Erhalt der Arbeitsplätze.
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