Die Lohnentwicklung in Deutschland geht seit Mitte der 90er Jahre auseinander. Ein wesentlicher Grund dafür ist – laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung und dem ifo-Institut – die weit verbreitete Flucht aus Tarifverträgen. Dazu erklärt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte:
Die ungleiche Einkommensentwicklung ist nicht gerecht. So wird die Gesellschaft gespalten in steigende hohe Einkommen und niedrig bleibende Löhne auf der anderen Seite. Ursache dafür ist in erster Linie die zunehmende Zersplitterung unseres Tarifsystems, weil zu viele Arbeitgeber aus der Tarifbindung aussteigen und damit den Konsens der Tarifautonomie aufkündigen. Es ist nicht akzeptabel, dass in der Folge immer größere Teile der Bevölkerung mit dem gleichen Geld auskommen müssen, während sich obere Einkommensgruppen über Lohnzuwächse freuen können.
Die Bundesregierung muss endlich den Befund der Studie ernst nehmen, nach der heute nur 35 Prozent der Betriebe tarifgebunden sind, während es Mitte der 90er Jahre noch 60 Prozent waren. Sie darf nicht ignorieren, dass der Lohnunterschied zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Betrieben extrem zugenommen hat. 1999 verdienten Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben noch 8 Prozent mehr Lohn als in Betrieben ohne Tarifvertrag. 2010 betrug der Lohnunterschied laut der Studie bereits 19 Prozent. Das zeigt, dass die Entwicklung massiv in die falsche Richtung geht – zu Lasten der Beschäftigten, die eh schon wenig verdienen.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, die Gewerkschaften zu stärken, damit sie auch in schwierigen Branchen Tarifverträge erkämpfen können. Notwendig sind Reformen bei der Leiharbeit, bei Werkverträgen und insbesondere die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Denn gerade diese Randbelegschaften sind schwerer zu organisieren, weil deren Beschäftigungsdauer häufig kürzer ist und sie stets mit der Sorge leben müssen, durch gewerkschaftliche Betätigung den Job zu verlieren. Klare Leitplanken würden die Gewerkschaften stärken. Vor allem aber muss die Bundesregierung das Gesetz zur Tarifeinheit zurückziehen. Es schwächt die Gewerkschaften und verändert ohne Grund unsere Tariflandschaft. Das wäre genau das falsche Signal.
Verwandte Artikel
Transformation: Austausch zwischen Gewerkschaften und Grünen
Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung und Jan Otto, erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, hatten am Wochenende zur Veranstaltung „Arbeit.Betrieb.Klima – Grüne Perspektiven auf Wirtschaft und Transformation“ in Berlin eingeladen. Auf dem Podium diskutierten Grüne aus dem Bundestag, Parteispitze, Berliner Abgeordnetenhaus und GewerkschaftsGrün, Vertreter:innen von DGB, EVG, IG BCE und IG Metall sowie Wissenschaftler:innen. Über 150 Gäste hatten sich angemeldet.
Weiterlesen »
Solidarität mit Israel
Wir denken an die vielen Opfer und ihre Familien – ihnen gilt unser Mitgefühl.
Wir blicken mit Entsetzen auf die feigen und menschenverachtenden Terrorakte gegen den Staat Israel und seine Bevölkerung. Menschen wurden auf brutalste Weise getötet, misshandelt oder als Geiseln verschleppt, darunter Frauen und kleine Kinder. Dieser terroristische Angriff der Hamas auf Israel macht uns fassungslos und sprachlos. Es sind unvorstellbare Verbrechen gegen unschuldige Frauen, Kinder, Männer, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Wir verurteilen diesen Terror und die menschenverachtenden Gewaltakte der Hamas auf das Schärfste. Derart menschenfeindlichen Aktivitäten müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden.
Weiterlesen »
Unter 25-Jährige müssen weiter von Jobcentern betreut werden!
22.08.23 Die Pläne von Heil und Lindner, die Zuständigkeit für unter 25-Jährige von den Jobcentern auf die Bundesagentur für Arbeit (BA) zu übertragen, stoßen auf Ablehnung der Sozialpolitiker*innen der grünen…
Weiterlesen »