Betriebsräte können nicht gekündigt werden – aber man kann sie so lange mit haltlosen Vorwürfen malträtieren, bis sie aufgeben. Von dieser perfiden Form des Mobbings leben manche Arbeitsrechtler nicht schlecht. Sie werben: „Warten Sie nicht, bis der Betriebsrat Ihr Unternehmen übernimmt!“
Es klingt ein bisschen wie Klassenkampf: „Bleiben Sie als Arbeitgeber Chef im eigenen Haus! Warten Sie nicht, bis der Betriebsrat Ihr Unternehmen übernimmt!“ Damit bewirbt eine Juristin ihre Dienste und ihren Newsletter mit Tipps für Arbeitgebern. Ihr Versprechen: Die Chefs könnten mit ihrer Hilfe „ein Stück unternehmerischer Freiheit zurückgewinnen“.
Die Gewerkschaften erkennen in solchen Aussagen eine Tendenz: Immer häufiger gehen Arbeitgeber juristisch gegen Betriebsräte vor, um diese einzuschüchtern, erklärt die Rechtsschutz-Gesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Anschuldigungen würden systematisch genutzt, um die Betroffenen zu zermürben.
Einige solcher Fälle und das Vorgehen einschlägiger Anwälte beschreibt das frisch erschienene Buch „Die Vollstrecker. Wer für Unternehmen Probleme löst“ der Journalisten Christian Esser und Alena Schröder.
In vielen Fällen, kritisieren Gewerkschaften, gehe es gar nicht um das, was die Arbeitnehmervertreter konkret tun. Vielmehr würden einzelne Betriebsratmitglieder „systematisch unter Druck gesetzt“. Entscheidend sei nicht, „dass die Anschuldigungen oft haltlos sind, sondern der Umstand, dass die Betroffenen infolge des zermürbenden Mobbings so erschöpft sind, dass sie irgendwann aufgeben“, sagt Dietmar Hexel, Mitglied im DGB-Bundesvorstand.
Die Zahl einschlägig spezialisierter Anwälte steigt
Diese Arbeit übernehmen laut DGB „Rechtsanwälte als skrupellose Ratgeber der Arbeitgeber“. Das Vorgehen folge dabei meist ein und demselben Muster, erklärt Christina Frank von Verdi in „Die Vollstrecker“. Dazu gehöre nicht nur eine juristische Beratung. Ein berüchtigter Anwalt etwa wisse genau, „wie man einem unliebsamen Arbeitnehmer das Leben so zu Hölle macht, dass er schließlich von selbst aufgibt und das Unternehmen verlässt“.
Wie häufig so etwas tatsächlich geschieht, ist schwer nachzuvollziehen. Es gebe wenig empirisch belastbares Material, sagt Andreas Priebe, Betriebsratsexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. In Gesprächen mit Betriebsräten gewinne er aber den Eindruck, dass die Zahl der Fälle, in denen „massiver Druck“ ausgeübt werde, steige. Ein weiteres Indiz: Die Zahl einschlägig spezialisierter Anwälte habe in den vergangenen Jahren zugenommen.
Arbeitgeber: „Grundsätzlich läuft die Zusammenarbeit vertrauensvoll“
Die „Grundfrage“ in solchen Verfahren ist Priebe zufolge häufig: „Wie werde ich unkündbare Arbeitnehmer wie Betriebsräte los?“ Die Unternehmen gingen dann mit Vorwürfen gegen Arbeitnehmer vor, „die einer juristischen Prüfung nicht standhalten“ – die Arbeitnehmer gewinnen die gerichtlichen Verfahren also. „Trotzdem machen solche Prozesse die Betroffenen mürbe, sie tragen den Druck in ihr ganzes Leben, in ihre Familien hinein“, sagt Priebe.
Die Arbeitgeberseite kann dagegen keine Zunahme von Streitfällen zwischen Betriebsräten und Unternehmensführungen feststellen. „Wir führen dazu keine Statistiken. Die Beratungen und Anfragen lassen einen signifikanten Anstieg aber nicht erkennen“, sagt Roland Wolf, Arbeitsrechtler bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Grundsätzlich läuft die Zusammenarbeit von Betriebsräten und Unternehmen vertrauensvoll, wie das Gesetz es vorsieht.“
Gleichwohl gebe es ein „gewisses Blockadepotenzial“ im Betriebsverfassungsgesetz, das die Arbeit von Betriebsräten regelt, sagt Wolf. Betriebsräte könnten „unsachgemäß die Umsetzung von Entscheidungen blockieren“. Sie könnten etwa Kosten in die Höhe treiben, indem sie Entscheidungen verzögerten.
Die Furcht vor solchen Fällen nutzt mancher Anwalt für sich, wie im Beispiel des klassenkämpferischen Newsletters: „Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihrem Betriebsrat seine Grenzen aufzeigen und seine Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte auf das Notwendigste reduzieren“, wirbt die Herausgeberin.
Quelle:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/0,1518,814987,00.html
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