Gespräch mit Robert Habeck über Alternativen zu Hartz IV
Osnabrück – Welche Chancen bieten Grundeinkommen und wie kann deren Umsetzung vorangebracht werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Diskussion mit dem Bundesvorsitzenden Robert Habeck. Grundlage war die Forderung der Gewerkschaftsgrünen Niedersachsen/Bremen, Alternativen zu Hartz IV zu schaffen.
Die Frage, wie der Zusammenhalt in der sich ändernden Arbeitswelt geschützt werden könne, habe ihn zu seinem Vorschlag einer Grundsicherung über alle Lebensphasen veranlasst, erklärte Habeck. Während es 2004 der damaligen Bundesregierung vor allem darum gegangen sei, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen, gehe es heute vor allem um die Sicherung der liberalen Demokratie gegen Hass-Parolen. Das Weltwirtschaftsforum habe vor zwei Jahren das Grundeinkommen als Möglichkeit benannt, um das Auseinanderfallen der Gesellschaften zu verhindern.
Der Spruch des damaliger Bundeskanzlers Schröder, es gebe kein Recht auf Faulheit, sei von Arroganz gekennzeichnet gewesen, stellte Habeck fest. Statt des Drucks auf den Einzelnen müsse es eine Kehrtwende zu Ermutigung und Vertrauen geben. Ein gesichertes Grundeinkommen trage dazu bei, beim Verlust des Arbeitsplatzes gegenüber der jetzigen Praxis die Würde zu bewahren. Die Entbürokratisierung entlaste die Jobcenter und spare Kosten.
Ein Grundeinkommen werde dazu führen, dass die Löhne stiegen, weil nicht mehr jede schlecht bezahlte Arbeit angenommen werden müsse, erklärte Habeck. Damit werde es schwerer fallen, Löhne unter dem Mindestlohn akzeptieren zu müssen.
Die 30 Mrd. Euro für die von ihm vorgeschlagene Grundsicherung sei zwar viel, aber leicht mit der Schließung der auf 30-80 Mrd. Euro bezifferten Steuerschlupflöcher zu stopfen. Einzuführen sei eine Meldepflicht für alle Steuersparmodelle.
Die Höhe des Grundeinkommens solle so bemessen sein, dass kein Anreiz zum Verzicht auf Arbeit geschaffen werde, sondern so extrem knapp, dass die Motivation zur Arbeit erhalten bleibe. Es solle eine Prüfung der Bedürftigkeit geben, „denn wer eine Villa hat, braucht kein Grundeinkommen“, so Habeck.
Die Abkehr von Hartz IV kann laut Habeck in Modulen erfolgen. Denkbar sei, mit der Erhöhung des Zuverdienstes zu beginnen oder den erworbenen Wohnraum und kleine Vermögen zu schützen. Erprobungen könnten in Modellregionen erfolgen. Dazu müssten die steuerrechtlichen Möglichkeiten für die Kommunen geschaffen werden.
Warum überhaupt eine Bedarfsprüfung nötig sei und nicht gleich eine negative Steuergutschrift eingeführt werde, fragte Yvonne Marchewitz (Gewerkschaftsgrün Hannover). So erlebten viele, die ins System einstiegen, z.B. Geflüchtete, Verzögerungen bei der Auszahlung der Grundsicherung, weil vielleicht erst wegen der Vorrangprüfung Kindergeld beantragt werden müsse, was daran scheitern könne, dass die Geburtsurkunde fehle. Daneben habe jedoch die Aussicht, Kürzungen hinnehmen zu müssen, wenn man nicht zu den Beratungsterminen gehe, manche dazu gebracht, doch Beratung anzunehmen und festzustellen, dass diese unterstützend wirken könne, Angst vor einer Arbeitsaufnahme zu überwinden.
Als Chance, das Bedrohtheitsgefühl vieler Menschen in eine positive Haltung zum Staat zu wandeln, bezeichnete Werner Sievers das Grundeinkommen. Gegen weitere Verarmung müsse dringend die Kindergrundsicherung durchgesetzt werden, forderte Anna Kebschull. Vor allem für Kinder müsse es bedingungslos sein, bekräftigte Claus Kanke. Elisabeth Middelschulte ermunterte, an die Erfahrungen in Finnland und in der Schweiz anzuknüpfen und Verbündete zu suchen.
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