Das Gesetz verspricht viel, aber ein Großteil der Frauen profitiert gar nicht davon. Viele Regelungen sind einfach nur verfehlt. So gilt das Entgeltgleichheitsgebot für alle Teil des Lohns. Das Auskunftsrecht aber beschränkt auf den durchschnittlichen Lohn und zwei Lohnanteile. Auch der Prüfauftrag schafft keine Transparenz, denn die Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind nicht verpflichtet, Entgeltstrukturen zu überprüfen. Mit diesem Gesetz gibt es keine Transparenz und schon gar nicht mehr Lohngerechtigkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollege,
die SPD freut sich über das Entgelttransparenzgesetz. Die Lohnfindung dürfe keine Blackbox sein, so die Ministerin, deshalb sei das Gesetz ein echter Durchbruch. Einen Grund zum Feiern hat aus meiner Sicht eigentlich nur die Union; denn sie hat so lange verhandelt, bis Anspruch und Wirklichkeit bei diesem Gesetz weit auseinandergehen. Dabei haben die Wirtschaftskonservativen wirklich ganze Arbeit geleistet, deshalb ist das Gesetz auch kein Durchbruch, sondern nur eine Nebelkerze, und das wird diesem wichtigen Thema in keiner Weise gerecht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Kollegin Katja Dörner hat ja schon ausgeführt, dass das Gesetz viel verspricht, aber ein Großteil der Frauen gar nicht davon profitiert. Wir haben noch mehr Kritik. Vier Aspekte möchte ich kurz ansprechen.
Erstens. Das Entgeltgleichheitsgebot gilt für alle Teile des Lohns, doch wird das Auskunftsrecht jetzt beschränkt auf den durchschnittlichen Bruttolohn und auf zwei Lohnanteile. Ich frage mich: Wie soll das gehen? Woher sollen denn die Beschäftigten wissen, nach welchen Lohnanteilen sie fragen müssen? Der durchschnittliche Bruttolohn allein macht Benachteiligungen nicht sichtbar. Diese Regelung ist komplett verfehlt und nichts anderes als eine Mogelpackung; denn nur dann, wenn die Beschäftigten den monatlichen Bruttolohn und alle Lohnanteile vergleichen können, entsteht tatsächlich Transparenz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kersten Steinke (DIE LINKE))
Zweitens. Für Betriebe, die an einen Tarifvertrag gebunden sind oder sich darauf beziehen, und – ganz neu – auch für kirchliche Arbeitgeber gilt eine Angemessenheitsvermutung. Angemessen bedeutet hier: Die Lohnstrukturen sind per se diskriminierungsfrei, und Tätigkeiten in unterschiedlichen Entgeltgruppen werden als nicht gleichwertig definiert. Das ist fatal; denn die Beschäftigten können nicht mehr überprüfen lassen, ob sie richtig eingruppiert wurden, obwohl gerade durch eine fehlerhafte Eingruppierung ganz häufig Entgeltdiskriminierungen entstehen. Diese Angemessenheitsvermutung schafft keine Transparenz. Im Gegenteil: Sie führt sogar dazu, dass Benachteiligungen bei der Eingruppierung verschleiert werden. Das ist nicht akzeptabel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Drittens. Unternehmen sollen zukünftig ihre Lohnstrukturen auf Entgeltdiskriminierung überprüfen. Das hört sich gut an, und es wäre auch wichtig. Aber das gilt nur für private Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und nicht für tariflich gebundene oder kirchliche Arbeitgeber. Die wenigen, die dann noch prüfen sollen, sind nicht einmal an ein zertifiziertes Prüfverfahren gebunden. Vor allem werden die Arbeitgeber nicht verpflichtet, sondern nur aufgefordert. Ein Prüfauftrag ohne Verpflichtung und ohne Sanktionen wird aber ins Leere laufen. Dabei könnte das Prüfverfahren richtig wirkungsvoll sein. Diese Chance haben Sie schlichtweg verpasst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Cornelia Möhring (DIE LINKE))
Viertens. Niemand darf wegen seines Geschlechts mittelbar beim Lohn benachteiligt werden. Das ist Gesetzeslage. Aber genau dieses Verbot wird jetzt relativiert; denn laut Entgelttransparenzgesetz können arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsbezogene Kriterien ungleiche Bezahlung rechtfertigen. Definiert werden die Kriterien aber nicht. Sie müssen nur angemessen sein. Damit ist Entgeltdiskriminierung zukünftig möglich. Sie muss nur begründet werden, und der Interpretationsspielraum dafür ist groß. So wird Entgeltungleichheit nicht abgebaut, sondern im Gegenteil in diesen Fällen gesetzlich legitimiert. Und das geht gar nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Regierungsfraktionen, die Lohnlücke von 21 Prozent ist ungerecht. Deshalb brauchen wir gesetzliche Regelungen, damit Entgeltgleichheit endlich durchgesetzt wird, und wir brauchen – ich sage es noch einmal – ein Verbandsklagerecht, damit Verbände bei strukturellen Diskriminierungen klagen können.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sicher nicht!)
Das sogenannte Entgelttransparenzgesetz wird diesem Anliegen aber in keiner Weise gerecht. Das Gesetz verspricht viel, aber es ist darauf ausgerichtet, dass möglichst wenig passiert. Gesetzliche Regelungen sind zwar dringend notwendig, aber dieses Gesetz das brauchen wir wahrlich nicht.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
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