Osnabrück – Inwieweit kann ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) Hartz-IV-Ungerechtigkeiten beseitigen helfen? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Diskussion der GewerkschaftsGrünen Niedersachsen-Bremen mit 30 Teilnehmenden im Osnabrücker DGB-Haus.
Einleitend stellte der Osnabrücker Hochschulprofessor Joachim Thönnessen vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Situation in Deutschland die gegenwärtige, zurecht vielkritisierte, Praxis von Hartz IV dar. Anschließend erläuterte er die Idee des Grundeinkommens, wobei er keine übertriebenen Erwartungen aufkommen ließ: Wahrscheinlich sei, dass es beim Bedingungslosen Grundeinkommen um eine Steuererhöhung für viele, weniger öffentliche Leistungen für alle und Begünstigungen auch für jene gehe, die keine benötigen.
Auf das Energiegeld im Entwurf des Europawahlprogramms der Grünen verwies der Landtagsabgeordnete Christian Meyer. Mit der finanziellen Belastung von CO2-Emissionen könne ein ökologischer Akzent gesetzt und mit den Einnahmen ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit geleistet werden. Denkbar sei eine Mischung aus BGE und Zusatzleistungen für besonders Bedürftige.
Zwar müsse die entwürdigende Hartz-IV-Praxis dringend beendet werden, äußerte verdi-Mitglied Volker Bajus. Das BGE sehe er wegen der Bedeutung von Arbeit für die soziale Integration jedoch skeptisch. Da sei eine gerechtere Verteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung sinnvoller, so derFraktionsvorsitzende im Osnabrücker Stadtrat. Der Hannoveraner Personalratsvorsitzende Jochen Berendsohn ergänzte, mit dem BGE könnten Benachteiligte ruhig gestellt werden. Erst wenn der Kapitalismus überwunden sei, mache das BGE Sinn.
Dagegen erklärte Volker Stöckel von der Osnabrücker Grundeinkommen-Initiative, das deutsche Sozialsystem mit seinen 138 Programmen sei so kompliziert, dass viele Ansprüche gar nicht wahrgenommen würden, teilweise auch aus Scham. Zudem werde zwei Drittel der gesellschaftlichen Arbeit gar nicht bezahlt, insbesondere die von Frauen. Das BGE könne vielen Menschen ihre Würde zurückgeben.
„Angeln, Joggen, Philosophieren?“, angesichts der gravierenden Änderung der Arbeits- und Lebenswelt, die Jugendlichen in Europa immer weniger Sinn aus Arbeit biete, müsse über die Wachstumsdynamik nachgedacht und Konsequenzen gezogen werden, forderte das Osnabrücker Betriebsratsmitglied Werner Sievers. Walter Tobergte sprach sich für eine massive Erhöhung der Löhne aus, die die Binnennachfrage steigere und für den notwendigen Ausgleich gegenüber anderen Ländern sorge.
Mit dem Hinweis, man gehe nicht mehr in den Sportverein, sondern ins Fitness-Center, veranschaulichte der Bremer Ingo Franßen die Tendenz zur Vereinzelung. Stattdessen und gegen weiteren Sozialabbau soziale Bewegung in Gang zu bringen, müsse Aufgabe von GewerkschaftsGrün sein, betonte Klaus Müller-Reimann. Gerade nach den Vorfällen in Chemnitz und anderswo gelte es, für mehr soziale Gerechtigkeit Flagge zu zeigen, bekräftigte verdi-Mitglied Heidelinde Lugert.
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